Gedanken zur orphischen Hymne an Hekate

Hekate by Marina

…Bei diesem heiligen Opfer beschwöre ich die alte Kraft

die herrscht über tiefste Unterwelt und finstere Nacht.

Ich rufe und preise dich,

wunderschöne Hekate, Hüterin der Pfade,

die an dreifachen Wegkreuzungen verehrt wird.

Herrscherin über den Himmel, die Erde und das Meer,

die in safranfarbende Schleier/Gewänder gehüllt ist.

Herrin der Gräber, die mit den Seelen der Toten, die nächtlichen Mysterien (des Bacchus) feiert.

Perseia, die Einsamkeit und Hirsche liebt,

Nächtliche, Herrin der Hunde, unbesiegbare Königin,

die Bestien zum Brüllen bringt,

Ungegürtete, Unüberwindbare mit unwiderstehlichem Angesicht,

Bullenhüterin,

Schlüsseltragende Herrin des gesamten Kosmos,

Führerin,

Nymphe,

Nährerin der Jugend,

die in den Bergen umherstreift.

Ich bete zu dir mächtige Jungfrau,
sei hier bei unseren heiligen Einweihungsriten anwesend.
Und gewähre dem Boukolos* fortwährend deine Gnade.

*Boukolos- bedeutet Bullenhirte und ist ein Titel der Dionysospriester.

Ich habe die Übersetzung der Hymne etwas überarbeitet, so dass es für mich besser zu der eigentlichen Bedeutung passt. Da ich leider kein altgriechisch kann, habe ich dafür verschiedene englische Übersetzungen verwendet und diese ins Deutsche übersetzt. Viele der Titel die in der orphischen Hymne verwendet werden, sind Beinamen der Göttin, wie Enodia, Trioditis, Skylaktitin, Chtonia, Ourania, Kleidouchos und diese kommen auch in anderen Quellen über Hekate vor. Diese Beinamen wurden verwendet um bestimmte Eigenschaften der Göttin zu betonen, so ist Hekate Enodia die Herrin der Wege, Hekate Trioditis ist die Göttin der Kreuzwege.

Die Hymne an Hekate ist  in die orphischen Hymne an Museos (Sohn des Orpheus) eingebettet. In dieser Hymne wird erst Museos gepriesen, dann werden viele Götter und Daimonen gepriesen. Hekate wird in dieser Hymne zum Schluss angerufen und ihre Passage wird hervorgehoben. Sie ist die einzige Gottheit in dieser Hymne die ausgiebig angerufen wird. Vielleicht auch, da viele der Gottheiten eigene orphische Hymnen erhalten haben. Doch wenn man sich die Darstellungsweise der Göttin in der Hymne betrachtet, so können auch andere Hymnen mit ihr in Bezug stehen. Die Hymne an Melinoe, die Hymne an die Nacht, die Hymne an die Natur, die Hymne an die Mutter der Götter, die Hymne an Prothuraia beispielsweise, da Hekate in der Spätantike mit diesen Gottheiten einen starken Synkretismus einging und Melinoe und Prothuraia sind auch wieder Beinamen die Hekate traditionell zugeschrieben wurden. Auch als Göttermutter und Natur taucht sie in den PGM (Griechische Zauberpapyri) und den Chaldäischen Orakeln auf.

Ich möchte hier jetzt die orphische Hymne an Hekate etwas aufschlüsseln:

…Bei diesem heiligen Opfer beschwöre ich die alte Kraft, die herrscht über tiefste Unterwelt und finstere Nacht: Dieser Teil bildet einen Übergang, nachdem in der Hymne erst eine Vielzahl von anderen Göttern gerufen wird, wird ihnen gedankt und Hekate wird angerufen. Die Macht über die Unterwelt und die Nacht ist stark mit Hekates chtonischen (irdisch-unterweltlichen) Aspekten verbunden. Obwohl eigentlich Persephone die Königin der Unterwelt ist, wird auch Hekate als eine unterweltliche Herrscherin gesehen, sie hat Zugang und Macht in allen drei Teilen der Unterwelt, nämlich den Asphodill Wiesen, dem Tartaros und dem elysischen Gefilden. Erebos- die ‚Finsternis der Unterwelt und Nyx- die Nacht sind ursprüngliche Zustände, die aus dem ursprünglichen Chaos entsprungen sind.

Ich rufe und preise dich, wunderschöne Hekate, Hüterin der Pfade: Hier wird Hekate Enodia angerufen, diesen Beinamen hatte sie besonders in Thessalien, Enodia bedeutet die am Wege. Hekate Enodia ist die Göttin der Wege und Pfade. Und wurde auch als Schützerin von Reisenden gesehen. Gleichzeitig wird Hekate Enodia auch stark mit den thessalischen Hexen verbunden und sie wurde als eine Lehrmeisterin und Schutzpatronin der Hexen gesehen.

Die an dreifachen Wegkreuzungen verehrt wird: Hier ist der Beiname der Göttin in der Hymne Trioditis. Hekate Trioditis ist die Göttin der dreifachen Wegkreuzungen. Kreuzwege galten als Orte zwischen den Welten, an denen es leichter ist mit Geistern in Kontakt zu kommen und Magie und Zauber zu wirken. Auch Reinigungsrituale wurden an diesen Wegkreuzungen durchgeführt. Hekate Trioditis ist eine Schwellennhüterin, da Kreuzwege Übergangspunkte sind, zwischen der Welt der Sterblichen und der Unterwelt. Kreuzwege sind auch stark mit Magie verbunden und Hekates Aspekt als Göttin der Hexerei ist wieder stark mit diesem Beinamen verbunden. Auch ihr Aspekt als Herrin über die Geister ist mit Hekate Trioditis verbunden.

Herrscherin über den Himmel, die Erde und das Meer: Die drei Ebenen der physischen Existenz wurden schon seit Hesiods Theogonie mit Hekate verbunden. Sie herrscht über die Erde, den Himmel und das Meer. Sie hat Anteil und Macht in jedem dieser drei Reiche. Wobei hier mit Himmel der physische Himmel gemeint ist, nicht der Olymp oder himmlische Sphären (doch auch mit diesen war Hekate verbunden, allerdings nicht in diesem Kontext. Die Beinamen der Göttin sind hier Ourania (Herrin des Himmels), Chtonia (irdische, wobei dieser Titel auch unterirdisch gesehen werden kann) Einalia (Herrin der Meere). Hekate als Herrin der drei Ebenen ist eine Göttin der Natur und der natürlichen Kreisläufe.

Die in safranfarbende Schleier/Gewänder gehüllt ist: Der Beiname der Göttin ist hier Krokopeplos- die in Saffran gekleidete. Saffran wurde verwendet um Gewänder gelb zu färben. Saffran war auch in der Antike sehr wertvoll und so konnten sich nur wohlhabende Menschen gelbe Gewänder leisten. Gelbe Gewänder werden oft solaren Gottheiten zugesprochen. Apollon und Helios beispielsweise. Auch Hekate hatte einen solaren Bezug in der Antike, als nächtliche Sonnengöttin, die dem Sonnengott des Tages Helios-Apollon gegenübergestellt ist. Mir selbst kommen bei der Hymne Schleier und Tücher vor Augen, mit denen die Göttin Geschmückt ist. Schon in dem homerischen Demeter Mythos wird Hekate mit einem scheinenden Schleier beschrieben.

Herrin der Gräber, die mit den Seelen der Toten, die nächtlichen Mysterien (des Bacchus) feiert: Der Beiname der Göttin ist hier Tymbidia- Herrin der Gräber. Dieser Beiname spielt auf Hekates Herrschaft über die ruhelosen Geister an, Geister die ihren Weg in die Unterwelt nicht gegangen sind und auf der Erde festsitzen. Hekate führt diese Geister in ihrem Schwarm über die Erde. Doch gleichzeitig kann sie auch die Geister aus den Gefilden der Unterwelt auf der Erde schwärmen lassen. Ebenso spiegelt dieser Beiname Hekates Rolle als eine Göttin der Nekromantie wieder. Nekromantie ist die Kunst mit Hilfe von Geistern wahrzusagen oder Magie zu wirken. Hekate wurde in der griechisch-römischen Welt oft an Begräbnisstätten und Nekropolen verehrt. Die nächsten Zeilen spielen auf die Geister in den elysischen Gefilden an. Hekate feiert mit diesen Geistern die Mysterien. Sie ist in dieser Zeile mit den Mysterien des Dionysos/Bacchus verbunden. Vielleicht hatte sie in diesen Mysterien eine ähnliche Rolle als Führerin und Begleiterin der Mysterien-Eingeweihten, wie in den eleusischen Mysterien.

Perseia, die Einsamkeit und Hirsche liebt: In vielen englischen Übersetzungen wird Perseia als Tochter des Perses übersetzt. Dieser wurde seit Hesiods Theogonie als Hekates Vater gesehen. Perses wurde mit dem Licht und der Sonne identifiziert. Doch Perseia tritt auch als eigenständiger Beiname der Göttin auf. Hekate Perseis wurde mit Perseis der Gemahlin von Helios in Verbindung gebracht, diese war eine Meeres Nymphe und vermutlich auch eine solare Gottheit, über die nicht viel bekannt ist. Perseis ist auch die Mutter von Kirke- diese ist stark mit Hekate verbunden in der Mythologie. Leitet man den Beinamen Perseia von Perses (dem Titanen und Vater der Hekate) oder der Gemahlin des Helios ab, so hat man in beiden Fällen eine solare Verbindung.  Phileremon- Liebhaberin der Einsamkeit ist wieder ein Beiname der Hekate. Dieser Beiname ist mit der Vorliebe der Göttin für abgeschiedene und wilde Plätze verbunden, einsame Wegkreuzungen, die tiefen der Nacht, die Wildnis, einsame Wege. Es könnte meiner Meinung auch auf die Praktiken hindeuten, die mit Hekate verbunden waren. Im Gegensatz zu den olympischen Gottheiten, die in der Geselligkeit der Gemeinschaft verehrt wurden, wurde Hekate wohl oft von einzelnen Menschen verehrt, im Schutz der Nacht, an abgelegenen Orten. Das Hekate von Hirschen erfreut wird, spielt auf ihren Synkretismus mit der Göttin Artemis an, mit der Hekate seit der archaischen Zeit viel gemeinsam hat. Hirsche sind nächtliche Tiere, was gut zu Hekate als nächtliche Göttin passt. Aus der Spätantike gibt es eine Statue, die eine dreifache Hekate mit Hirsch und Hund zu jeder ihrer Seiten zeigt. Wenn man die Zeilen zusammen nimmt, kommt mir die nächtliche Sonnengöttin vor Augen, die nachts mit ihren solaren Fackeln, einsam über abgelegene Plätze und Wildnis schreitet und sich an den nächtlichen Hirschen erfreut, die wie sie durch die Nacht wandern oder in ihren Rudeln durch sie aufgeschreckt werden.

Nächtliche: Hekate wurde schon immer stark mit der Nacht verbunden. In der Theogonie Hesiods ist sie die Tochter der Titanin Asteria, die Göttin des nächtlichen Sternenhimmels (und auch der Träume und der Nekromantie). In einigen Fragmenten wird sie als Tochter der Nyx (Nacht) genannt. Sie triff oft als nächtliche Göttin auf und wurde nachts im Schein von Fackeln verehrt. Ihr Beiname ist hier Nykteria- die nächtliche.

Herrin der Hunde: Der Hund ist stark mit Hekate verbunden, als ihr heiliges Tier und als Opfertier in Reinigungsritualen. Das Heulen und Bellen von Hunden kündigte das Erscheinen der Göttin an. Der Hund symbolisiert zum einen Heim, Herd und Familie, Fruchtbarkeit und leichte Geburt, zum anderen aber auch Tod und Unterwelt. Somit ist der Hund als Symbol, ebenso ambivalent wie Hekate selbst.

Unbesiegbare Königin: Hekate galt in der Antike als eine sehr mächtige Göttin. In den PGM (Griechische Zauberpapyri) heißt es, dass Götter und Daimonen vor Angst und Ehrfurcht erzittern, wenn Hekate erscheint. In der Spätantike galt sie als Herrscherin über alle Reiche, über das Reich der Sterblichen (Himmel, Erde, Meer) über die himmlischen Sphären und die Tiefen der Unterwelt. ihr Beiname ist hier Baliseia- die königliche.

Die Bestien zum Brüllen bringt: Der Beiname hier ist Therebromon. Dieser kann verschieden übersetzt werden, die wie ein Tier schreit, die wie ein Biest schreit, oder die Bestien zum schreien bringt. Ich habe mich für die letzte Variante entschieden. Therebromos ist ein Beiname von Dionysos und Hekate wird hier mit ihm in Verbindung gebracht. Er ist die Bestie die Schreit, der der Schreit wie ein Tier, das Biest das brüllt und Hekate ist die Göttin die Dionysos zum Brüllen bringt. Meiner Meinung nach deutet dies die Herrschaft der Göttin über die Bereiche des Lebens an, der Schrei des Tieres zur Paarung, zum Angriff, zur Verteidigung, der Angstschrei. Auch das Brüllen von Löwen kommt mir vor Augen, da Hekate in Kleinasien mit Löwen dargestellt wurde. Natürlich auch das Hunde, durch ihr Heulen und Bellen, das Erscheinen der Göttin ankündigen.

Ungegürtete, Unüberwindbare mit unwiderstehlichem Angesicht: Diese Passage bringt das unabhängige Wesen der Göttin zum Ausdruck. Hekate ist die einzige Göttin, die sich unter den Göttinnen einen unhabhängigen Status erhalten konnte. Sie ist eine Jungfrau wie Artemis, Athene und Hestia und mit all diesen Göttinnen hat sie Attribute gemeinsam. Doch sie ist keine keusche unberührte Frau. Sie ist ungebunden und ungegürtet. Sie erscheint als wunderschöne Jungfrau, die wild und frei ist. Die anderen Jungfräulichen Göttinnen haben keinen Gemahl dem sie unterstehen, doch sie unterstehen dem olympischen Zeus, deren Vater (Athene, Artemis) oder Bruder (Hestia) er ist. Hekate ist monogenes- einziggeboren, sie hat keinen Bruder dem sie untersteht. Sie überragt ihren Vater Perses an Macht und Einfluss und hat sich auch unter der Herrschaft des Zeus ihren unabhängigen Status erhalten. Sie hat keinen Gemahl, aber doch Verbindungen zu anderen Gottheiten. In den Texten erscheint sie als strahlend und schön, ihr Anblick blendet einen. Selbst in ihren furchteinflößenden Aspekten ist sie schrecklich-schön. Sie ist eine unüberwindbare und ungebundene Göttin, voller Macht und Einfluss. Ihre Beschreibung als ungegürtet kann sich auf auch die Hexen der Hekate beziehen, denn diese führten ihre Riten ungegürtet, barfuss und mit offenen Haaren aus. Hekate als unüberwindbare Göttin drückt meiner Meinung auch ihren Aspekt als Schicksalsgöttin aus, in den PGM ist sie die Natur, das Schicksal, die Notwendigkeit, deren Wirken sich niemand entziehen kann.

Bullenhüterin: Der Beiname dieses Aspektes ist Tauropolon, diesen hat sie mit Artemis gemeinsam. Die Artemis von Tauris war eine obskure Göttin, der durch jungfräuliche Priesterinnen Männer geopfert wurden, laut der Mythologie. Tauropolon wird in einigen Überstzungen auch als die mit Stieren dahinzieht, die mit Stierhörnern gekrönt ist, übersetzt. Hekate wurden in der Antike Stiere geopfert (wie anderen Gottheiten auch). Der Stier ist auch mit dem Mond verbunden und auch Hekate war ab der römischen Zeit eine lunare Göttin. Sie wird in Offenbarungstexten auch Stieräugige oder die mit dem Anblick eines Stieres beschrieben. Der Stier stellt sie auch wieder in Verbindung zu Dionysos, der als mächtiger Stier erscheinen konnte. Wieder ist er das Tier, auf das die Göttin mit ihrer Macht über Leben und Tod einwirkt. Er ist der Opferstier, der die Menschen mit den Göttern verbindet und die Sterblichen nährt. Die Göttin ist die  Opfernde, die das das Blut vergießt und durch Tod, das Leben zu nähren und zu erhalten.

Schlüsseltragende Herrin des gesamten Kosmos: Diese Passage drückt die Macht der Göttin über alle Reiche und Ebenen des Kosmos aus. Ihr Beiname Kleidouchos (Schlüsseltragende) wird oft verwendet um ihre Macht über die Tore der Unterwelt zu verdeutlichen. Oder auch ihre Macht über die himmlischen Spähren (in der Theurgie, als Soteira- die Erlöserin). Doch hier hat sie die Schlüsselgewalt über den gesamten Kosmos. In den chaldäischen Orakeln ist Hekate die hyperkosmische Göttin aus deren Leib der Kosmos entspringt. Sie besselt auch den Kosmos und Herrscht über das Werden und Vergehen, alles ist von ihr, aus ihr entspringt alles und alles kehrt in sie zurück, heißt es in den PGM. Sie ist die große Göttin die über Erde, Himmel und Meer herrscht (die physische Welt, Phyisis war auch einer ihrer Beinamen in den chaldäischen Orakeln) und über die himmlischen Spähren (Olymp) und die Unterwelt (Tartaros, Asphodill Wiesen, Elysium). Als Schlüsselträgerin hat sie auch die Macht, Einlass in die Bereiche des Seins zu ermöglichen oder zu verweigern. Daher spielt sie in der Nekromantie, Theurgie und Hexerei der Antike eine wichtige Rolle.

Führerin: Dies ist ein klassischer Aspekt der Göttin, seit der archaischen Zeit. Ihr Beiname hier ist Hegemone (die Führerin). Auch Propolos hat eine ähnliche Bedeutung als Beiname der Göttin. Hekate Propolos ist die führende Helferin, sie führt und begleitet Persephone, die Göttin der Unterwelt, bei ihrem jährlichen Auf- und Abstieg aus und in die Unterwelt. Auch für Menschen hatte sie eine ähnliche Funktion als Führerin in den Mysterien. Auch als Seelenführerin wurde sie gedacht, die ähnlich wie Hermes die Seelen der Toten in die Unterwelt führt, oder die Seelen aus den unterirdischen Tiefen, in ihrem nächtlichen Schwarm,  auf die Erde führt. Auch im profanen Leben war Hekate eine Führerin für Sterbliche, durch schwierige Situationen, Übergänge und Schwellen.

Nymphe: Nymphen sind Geister der Natur und der Wildnis, die Geister von Bäumen, Quellen, Seen, Teichen, Wäldern etc. Nymphen wurden als schöne Frauen dargestellt. Dionysos, Artemis und Hekate wurden von Nymphen begleitet. Wenn Hekate hier als Nymphe angerufen wird, hebt das für mich ihren Aspekt als Göttin der Wildnis und Abgeschiedenheit in den Vordergrund. Auch wieder eine Verbindung zu Dionysos und ein Synkretismus mit Artemis. Auch das Hekate nicht nur eine Göttin ist, die über die Geister von verstorbenen Menschen herrscht, sondern das auch die Geister der Natur ihrem Einfluss unterstehen, da auch sie erdverbunden sind. Hekate erscheint im Mittelalter auch als einer der vielen Namen der Feenkönigin. Auch die jungfräuliche und ungebundene Gestalt der Göttin kommt mir wieder vor Augen.

Nährerin der Jugend: Dieser Aspekt der Göttin wird als Kourotrophos bezeichnet. Diesen Beinamen hat sie seit Hesiods Theogonie. Dort ist sie die Nährerin jeden Lebens, das je das Licht der Morgendämmerung erblickt hat. Dieser Aspekt deutet Hekates Einfluss auf Geburt und heranwachsen von Mensch und Tier aus. Doch auch in einer ambivalenten Form, denn durch den Tod nährt die Göttin das Leben und nur der Tod bringt neues Leben hervor. Alles wovon wir Menschen oder Tiere sich ernähren, hat einst gelebt und durch den Tod eines Lebewesens wird unser Leben erhalten (auch Pflanzen sind Lebewesen).

Die in den Bergen umherstreift: Der Beiname der Göttin ist hier Ouresiphoitin- die in Bergen schwelgt. Dieser Beiname deutet wieder ihre Verwandschaft zu Artemis an, als eine Göttin der abgeschiedenen Natur, der Wildnis, die Göttin streift (nachts) durch einsame Berge und Wälder. In denen Nymphen hausen und Rudel von Hirschen durch die Nacht ziehen. Einsam zieht die Göttin durch die nächtliche Natur, oder in Begleitung von ihrem Geisterschwarm, ihren heiligen Hunden oder ihren Nymphen.

Ich bete zu dir mächtige Jungfrau, sei hier bei unseren heiligen Einweihungsriten anwesend.
Und gewähre dem Boukolos* fortwährend deine Gnade: Diese Passage bildet den Abschluss der Anrufung der Hekate. Sie wird noch als Jungfrau bezeichnet (Koure) womit wieder ihre jugendliche Erscheinung und ihre Unabhängigkeit betont wird. Sie wird darum gebeten bei einem Einweihungsritual anwesend zu sein. Der Anrufende ist ein Priester der Dionysos Mysterien.  Auch hier wird wieder eine Verbindung zu Hekate und Dionysos geknüpft und auch das Hekate eine Schlüsselrolle in seinen Mysterien inne hatte. Auch wird am Ende das Ziel der Anrufung zum Ausdruck gebracht, Hekate soll über das Einweihungsritual der Mysterien wachen und während diesem Ritus anwesend sein. Wenn man heute die Hymne verwendet, kann man am Ende die Hymne abändern, so dass sie zu dem persönlichen Zweck der Anrufung passt, beispielsweise: Ich bete zu dir, mächtige Jungfrau, halte Unglück, Schaden und Böses von diesem Heim fern und segne uns mit Gutem, Glück, Erfolg und Macht. Nach der Hymne sollte die Göttin beopfert werden und ihr Gedankt werden.

Eine komplette Übersicht der Hymne an Museos, in der Hekate angerufen wird, findest du hier: Hymn to Muesos

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