Hekate copyright by Chris Gaspar
In den heidnischen Kulturen der Vergangenheit wurde das Land als heilig betrachtet, ebenso wird im modernen Neuheidentum die Natur als heilig betrachtet.
Für unsere Ahnen war die Natur und das Land auf dem sie lebten, lebendig und beseelt.
Die Quellen, Sümpfe, Heine, Felder, Flüsse, Seen, Weiden und Wälder wurden durch Geister und Götter belebt. Die Menschen waren ein Teil der Natur und des Landes und wurden durch sie (die Natur) beeinflusst, Leben und Tod hingen von ihr ab.
Die Menschen vergangener Zeiten verbanden sich mit dem Land, der Natur und den verschiedenen Geistern und Göttern, sie brachten Opfergaben um sich das Wohlwollen der Natur und ihrer Geister zu sichern. In vielen heidnischen Kulturen wurde die Erde und die Natur als eine Göttin gesehen, die lebendige Erscheinungsform der Natur.
Ein gutes Beispiel für diese Sichtweise ist die Göttin Hekate in den chaldäischen Orakeln, sie ist dort die große Göttin, aus derem Leib das Licht, die Welten und das Schicksal geboren werden. Aus ihr entspringt auch die Weltseele, die gleichzeitig ein Teil von ihr ist und auch die Natur entspringt aus ihr und ist ihr lebendiger Mantel. Alles im Kosmos wird durch ihre Liebe erfüllt und diese verbindet alles miteinander. Sie ist Ursprung und gleichzeitig auch das Grab allen Seins. Die Natur wird durch sie belebt, beseelt und alles in der Natur ist ein Teil von ihr.
In dem griechischen Zauberpapyri tritt Hekate ebenfalls als große Göttin und als Verkörperung der Natur und ihrer Kreislaufe auf. Sie ist dort die Mutter der Götter, Herrin des Schicksals und auch die Herrin über die Zyklen und Gezeiten des Lebens. In einer Zeile aus dem PGM heißt es: Alles ist von dir, du erschaffst alles und in dir Göttin kommt auch alles zu seinem Ende.
Ähnlich wird auch die Göttin Isis in dem Spätantiken Roman „der goldene Esel“ dargestellt. Isis ist dort die Allgöttin, Herrin der Elemente, Gebieterin über die Gestirne und Quelle der Gottheiten. Und ebenso die lebendige Verkörperung der Natur und ihrer Gesetze. Eine moderne Variante dieses Bildes ist die Gaia Hypothese (benannt nach der griechischen Erdgöttin und Urmutter), bzw. hat sich diese zu einer spirituellen Interpretation entwickelt- Gaia als verkörperung der Erde und der Natur, ein sich selbst bewusstes Wesen.
Und auch die meisten heidnischen Kulturen haben die Natur aus dieser Sichtweise wahrgenommen.
Die Göttin der Natur ist die Verkörperung des Wandels, sie bringt Leben und Tod, Wachstum und Verfall, ihre Gesetze sind die Gesetze des Lebens, nur der Tod nährt das Leben und nur durch den Tod anderer Wesen, kann das Leben genährt werden.
Die Göttin der Natur ist somit sehr komplex und erscheint in verschiedenen Erscheinungsformen, sie ist die dunkle Mutter allen Seins, der Ursprung aus derem Leib alles ins sein Getreten ist. Aus ihr entspringt das Schicksal, das sich wie ein Netz über das Leben zieht und alles miteinander verbindet. Sie ist die Herrin der Fruchtbarkeit, die Mutter der Götter, segnend und beschützend. Doch sie ist auch das Grab allen Seins, die Herrin der Schatten in derem Schoß eines Tages alles erneuert wird. Sie ist die Herrin der Toten und Königin der Unterwelt. Sie ist Schöpferin, Erhalterin und Zerstörerin, alles wird durch sie im Gleichgewicht gehalten, durch die Zyklen und Gezeiten von Tod und Geburt.
Die physische Natur ist ihr Mantel und durch das Land sind wir mit ihr verbunden, denn wir sind ein Teil des Landes und der Natur, wir sind niemals von der Natur/der Göttin getrennt.
Alles in der Natur ist heilig und durch die Liebe der Göttin beseelt. Und durch unsere Verbindung zu dem Land, auf dem wir Leben, können wir uns mit ihr verbinden. Die Geister des Landes sind ihre Boten, die Ahnen wispern uns die Weisheiten der Göttin zu und in der Erde sind ihre Knochen verborgen und eins mit dem Leib der Göttin geworden. Höhlen und Quellen sind Pforten in den Leib der Göttin, Übergänge in die Unterwelt- jenes Reich aus dem alles ins physische sein Tritt und wieder zurück kehrt, der dunkle Schoß der Göttin.
Wenn wir über die Hügel wandern, an Stränden oder durch Wälder- wandern wir auf dem Mantel der Göttin, wenn wir uns an der Natur erfreuen, erfreuen wir uns an ihr.
Eine Verbindung zum Land einzugehen und zu den Geistern die dieses beseelen, bedeutet auch immer eine Verbindung zu ihr einzugehen, denn sowohl das Land als auch die Geister entspringen aus ihr. In einem modernen paganen Chant heißt es: „Die Erde ist ihr Körper, das Wasser ist ihr Blut, die Luft ist ihr Atem und das Feuer ist ihr Geist“. In Feri (eine moderne Hexentradition) wird die Göttin mit folgenden Worten angerufen: „Heilige Mutter, in der wir leben, uns bewegen und unser Sein haben. Aus dir entspringen alle Dinge und alles kehrt in dich zurück.“ Beide Sätze treffen für mich das Wesen der Göttin sehr gut.
Doch die Göttin als personifizierung der Natur ist nicht nur die Erde. Viele Menschen haben bei Natur nur Vegetation, Tier und Pflanzenwelt vor Augen. Die große Göttin ist auch die Quelle der Galaxien, ihr Mantel ist erfüllt von leuchtenden Sternen, das Universum ist die Natur in ihrer größten und umfassendsten Form. Sie ist die Königin der Nacht, Herrin des Sternenlichts und Gebieterin über die Kreisläufe des Universums- sie ist das Universum, sie ist die Natur. Doch gleichzeitig ist die auch eine Gottheit, außerhalb und innerhalb des Kosmos, transzendent und imanent.
Der Begriff dunkle Mutter bezieht sich auf die ursprüngliche Dunkelheit, bevor die Göttin aus ihrem Leib das Licht und die Sterne geboren hat. Sie ist beides, die dunkle Herrin der Nacht und die Bringerin und Herrin des Lichts. Die dunkle Mutter ist die Göttin in ihrer höchsten Emanation, sie ist der dunkle Leib, aus dem die Schöpfung hervorging, die uranfängliche Göttin, das dunkle schöpferische Potential. In ihrer zweiten Emanation ist sie die Lichtbringerin- die Jungfrau des Sternenlichts und in ihrer dritten Emanation ist die die physische Welt, der Kosmos- die Welt ist der Leib der Göttin.
Doch die Göttin lebt nicht nur in ihrer transzendenten Form außerhalb des Kosmos oder in ihrer imanenten Form, in der Natur und all ihren Erscheinungsformen. Die Göttin lebt auch in den Menschen, unser göttlicher Funke kommt von ihr, unsere eigene Göttlichkeit entspringt aus ihrer Göttlichkeit. Unser kreatives und schöpferisches Potential- ist ihre schöpferische Kraft, die durch uns wirkt.
Und das Bild der großen Göttin vereint die verschidenen modernen Hexentraditionen, sowohl im Wicca, in den verschiedenen Formen der traditionellen Hexerei, in Feri und in verschiedenen Formen der eklektischen Hexenkunst, wird die Göttin als die beseelerin des Kosmos gesehen, die Herrin von Allem und Ursprung allen Seins. Auch wenn sich die Details dieser Sichtweise auf die Göttin in den unterschiedlichen Traditionen unterscheiden können, ähneln sie sich auch in vielen Sichtweisen auf sie.
Und jetzt im 21 Jahrhundert, in der die Natur durch uns aus dem Gleichgewicht geraten ist, die Welt stärker bevölkert ist, als jemals zuvor- ist es eines der größten Herausforderungen der Menschheit, die Natur wirder als heilig zu betrachten, als beseelt und als eine Verkörperung einer realen und lebendigen Gottheit. Denn zu lange wurde die Natur als gottlos gesehen, als ein Geschenk eines fernen Gottes, das die Menschheit sich in seinem Namen untertan machen wollte. Doch niemand kann die Natur bezähmen, niemand kann sie lange bändigen, wir sind ein Teil von ihr- und alles was wir ihr antun, tun wir letzten Endes auch uns selbst an.