Antike Quellen und Beschreibungen der Göttin

 

Hekate-Hymne aus Hesiods Theogonie (7.–8. Jh. v. Chr.)

—– Phoibe empfing auch Asteria, deren Namen Glück verheißt. Perses führte sie in sein Haus und erkor sie zu seiner Gattin. Asteria gebar Hekate, die Zeus, der Sohn des Kronos, vor allen anderen Göttern ehrte. Er schenkte ihr glänzende Gaben: Macht auf der Erde, dem weiten Meer und auch am gestirnten Himmel, sowie höchste Ehre bei den ewigen Göttern. Auch heute noch, wenn unter den Menschen jemand ein reiches Bittopfer nach altem Brauch darbringt, wendet er sich an Hekate. Leicht gewinnt hohe Ehren, dessen Bitten die Göttin gnädig erhört. Auch Wohlstand schenkt sie ihm aus der Fülle ihrer Macht. An all den Ehren sämtlicher Kinder, die der Vereinigung aus Gaia und Uranos entsprangen, hat Hekate ihren Anteil. Denn der Kronossohn brauchte weder Gewalt gegen sie, noch nahm er ihr eines jener Rechte, die sie bei den Titanen, den früheren Göttern, innehatte. Denn seit Beginn hat sie Macht auf Erden, im Himmel und im Meer. Auch bekam die Göttin nicht weniger Ehrungen, nur weil sie ein einziges Kind ist, sondern Zeus verlieh ihr noch viel mehr, weil Zeus sie ehrte. Wem sie will, dem steht sie machtvoll und hilfreich zur Seite; wer von der Göttin begünstigt wird, ragt aus der Menge hervor. Wenn sich Krieger zum männermordenden Kampf rüsten, da erscheint die Göttin, um dem, den sie will, gnädig den Sieg zu gewähren und Ruhm zu schenken. Bei Gericht steht sie würdigen Herrschern zur Seite und erteilt ihnen weise Gedanken. Hilfreich ist sie auch immer, wenn Menschen sich im Wettkampf messen, denn auch jenen steht die Göttin bei und bringt ihnen ihre Hilfe. Durch sie gewinnt einer durch Kraft und Stärke; leicht gewinnt er den ersehnten Preis und bringt dadurch seinen Eltern Ehre. Hilfreich steht sie auch Jägern bei, wenn sie es will. Und auch jene, die sich auf die stürmische See hinauswagen, um dort zu fischen, flehen zu Hekate und dem Erderschütterer (Poseidon). Leicht gewährt ihnen die herrliche Göttin einen mühelosen und reichen Fang, entzieht diesen aber auch leicht wieder die schon gesichtete Beute, wenn sie dies will. Zusammen mit Hermes vermehrt sie auch das Vieh im Stall: Rinderherden, Ziegenscharen, wollige Schafe. Wenn sie es will, so macht sie aus Wenigem Vieles und aus Vielem wieder Weniges. So ist sie im Kreis der Götter diejenige, die am meisten verehrt wird, obwohl sie die einzige Tochter ihrer Mutter ist. Der Kronossohn bestellte sie zur Kourotrophos (Nährerin und Pflegerin) der Jugend, von allen, die das Licht der Morgendämmerung bisher erblickten. So ist sie seit Anbeginn die Nährerin der Jugend, und dies ist ihr Ehrenamt.


Orphische Hymne an Hekate:

…Zu meinem heiligen Opfer beschwöre ich die alte Macht, die herrscht über tiefste Unterwelt und finstere Nacht. Ich rufe und preise dich, wunderschöne Hekate, Hüterin der Pfade, die an dreifachen Wegkreuzungen verehrt wird. Herrscherin über den Himmel, die Erde und das Meer, die in safranfarbene Schleier/Gewänder gehüllt ist. Herrin der Gräber, die mit den Seelen der Toten die nächtlichen Mysterien (des Bacchus) feiert. Perseia, die Einsamkeit und Hirsche liebt, Nächtliche, Herrin der Hunde, unbesiegbare Königin, die Bestien zum Brüllen bringt, Ungegürtete, Unüberwindbare mit unwiderstehlichem Angesicht, Bullenhüterin, Schlüsseltragende Herrin des gesamten Kosmos, Führerin, Nymphe, Nährerin der Jugend, die in den Bergen umherstreift. Ich bete zu dir, mächtige Jungfrau, sei hier bei unseren heiligen Einweihungsriten anwesend. Und gewähre dem Boukolos* fortwährend deine Gnade. *Boukolos – bedeutet Bullenhüter und ist ein Titel der Dionysospriester.


Aus Ovids Metamorphosen: Medeas Beschwörung:

Nacht, Vertrauteste du der heimlichen Dinge, ihr Sterne, die ihr der tragenden Glut nachfolgt mit der goldenen Luna; Und du, Hekate Dreifaltige, du weißt, was mich antreibt, komm und hilf mir mit murmelndem Spruch und kunstvollem Zauber. Und du Erde, du gibst den Hexen die mächtigen Kräuter. Lüftchen, Winde und Berge, ihr Flüsse und all ihr Teiche, Göttin der Haine, eile herbei! Oh helft mir, ihr Götter der Nächte …


Sophokles Fragment:

Helios, Herrscher und heiliges Feuer, der heilige Speer der Wegebeschützenden Hekate, die ihn auf dem Olymp trägt und wenn sie an den heiligen Wegkreuzungen der Erde weilt, bekränzt mit Eichenlaub und Geflecht und den Windungen wilder Schlangen.


Hekate-Beschwörung aus den Griechischen Zauberpapyri: PGM IV 2520-2569

„Komm zu mir, oh geliebte Herrin, dreigesichtige Hekate, höre freundlich meiner heiligen Beschwörung zu. Du rüstest dich mit gefürchteten und düsteren Lampen, du schüttelst deine Locken mit fürchterlichen Schlangen an deiner Stirn. Aus deinem Mund ertönt das Gebrüll von Bullen, wilde Hunde sind dir lieb und teuer, weshalb man dich Hekate, die vielgestaltige Mene (Mond) nennt, die im Himmel hängt wie die pfeilschießende Artemis, Persephone, die mit ihren Pfeilen Hirsche niederstreckt. Nacht, Scheinende, Dreilautige, Dreiköpfige, dreistimmige Selene, Dreiförmige, Dreigesichtige, Dreihälsige, Göttin der Dreifachen Wege, die unermüdlich Flammen in dreifachen Körben trägt. Die an den dreifachen Wegen weilt und die drei Dekaden beherrscht. Sei gnädig zu mir, der dich beschwört, gewähre mir deine Gnade und beachte mich mit deiner Güte. Du, die du die weite Welt bei Nacht beschützt, vor dir beben Daimonen voller Furcht und selbst die unsterblichen Götter erzittern vor dir. Göttin, die Menschen nährt und stärkt, die du viele Namen trägst, Mutter der Götter, der Menschen und der Natur, Mutter von allen Dingen. Dein sind der Olymp und dein ist auch die tiefe endlose Schlucht, die du durchquerst. Anfang und Ende bist du und du alleine beherrschst alles. Denn alle Dinge sind von dir, oh Ewige – und in dir kommen die Dinge zu ihrem Ende. Heil dir, Göttin! Bei deinen heiligen Namen rufe ich dich. Dir bin ich zu Diensten, und für Dich verbrenne ich dieses Räucherwerk.“


Porphyrios über Hekate:

„Der Hekate ist als Symbol ihrer veränderlichen Phasen der Mond zugeordnet, und ihre Macht hängt von seinen Phasen ab. Ihre Macht drückt sich in drei Erscheinungsformen aus. Als Symbol des neuen Mondes ist sie in ein weißes Gewand gehüllt, trägt goldene Sandalen und wird von brennenden Fackeln umgeben. Der Korb, den sie bei ihrem Aufstieg trägt, symbolisiert den Anbau des Getreides, das sie je nach der Menge des von ihr gespendeten Lichtes gut oder schlecht wachsen ließ. Als Symbol des vollen Mondes trägt sie bronzene Sandalen. An dem Olivenzweig (den sie trägt) erkennt man ihre feurige Natur und an dem Mohn ihre Produktivität und die Vielzahl der Seelen, die in ihr ruhen, wie in einer Stadt. Denn der Mohn ist das Emblem einer Stadt. Sie trägt einen Bogen, wie Artemis, wegen der Heftigkeit der Schmerzen bei den Geburtswehen. Auch die Moiren sind ihrer Macht zugeteilt: Klotho, der Schöpferische; Lachesis, der Nährende; und Atropos, der Unerbittliche Wille der Göttin. Auch die fruchtbaren Kornfelder, die Demeter sind, sind mit ihr verbunden, als die schöpferische Kraft in ihr (Demeter). Der Mond ist auch der Unterstützer der Kore. Dionysos wird neben sie gestellt, wegen dem Wachstum seiner Hörner und wegen den Wolken, die zwischen der unteren Welt liegen.“

Er beschreibt leider nicht den dritten Aspekt der Göttin – aber in diesem Fragment erkennt man den dritten Aspekt der Göttin:

„Oh Hekate, ich beschwöre dich, komm, irdische, unterirdische und himmlische Proserpina – Göttin der weiten Kreuzwege, die du nachts umherschwärmst, eine Fackel in deiner linken Hand, ein Schwert in deiner Rechten. Du meidest den Tag, Freundin und Liebhaberin der Dunkelheit, die erfreut wird, wenn Hündinnen heulen und warmes Blut vergossen wird. Du weilst zwischen Geistern und zwischen den Gräbern, Herrin der Manen und Summanen, du, die nach Blut dürstet und Angst in den Herzen der sterblichen Menschen erweckt, Gorgo, Mormo, Bombo, Mond der tausend Formen, wirf ein gnädiges Auge auf unser Opfer.“ – Dieses Fragment stammt von Eusebius, der Christ und Gegner des Heidentums war, aber es wird in Zusammenhang mit Porphyrios gebracht.

Hekate über sich selbst:

Meine Gestalt/Statue gleicht der von Demeter, geschmückt mit prächtigen Früchten, mit schneeweißem Gewand und goldenen Sandalen an den Füßen. Um den Gürtel winden sich lange Schlangen, die auf meinen reinen Spuren kriechen. Andere hängen von meinem Haupte herab, bis auf die Füße. Um mich gewunden in geordneten Reihen. – Auch aus einem Porphyrios-Zitat bei Eusebius.


Porphyrios zugeschrieben, von einem christlichen Geistlichen aufgegriffen:

An einige, die Hekate fragten, ob Christus ein Gott war, antwortete sie:

„Ihr kennt die Bedingungen der entkörperten unsterblichen Seelen, und dass, wenn sie von der Weisheit streng/hart werden, diese immer fehlgeleitet ist. Die Seele, auf die du verweist, ist von einem Mann mit tiefer Frömmigkeit; sie beten seine Seele an, weil sie die Wahrheit falsch verstehen. Der Seele dieses frommen Mannes wurde, wie den Seelen anderer guter Menschen, das Geschenk der Unsterblichkeit gewährt, und die Christen beten diese durch ihre Ignoranz an.“

An jene, die fragten, warum er zum Tode verdammt wurde, antwortete das Orakel der Göttin:

„Der Körper ist in der Tat immer Qualen ausgesetzt, aber die Seelen der Frommen weilen in den himmlischen Sphären. Und die Seele, nach der ihr euch erkundigt, war die verhängnisvolle Ursache eines Irrglaubens für viele Seelen, denen das Geschenk der Götter (die Unsterblichkeit) und das Wissen des unsterblichen Jove (Jupiter) nicht bestimmt waren. Diese Seelen sind deshalb den Göttern verhasst. Jene Seelen, denen es nicht bestimmt ist, die Geschenke der Götter zu erhalten und den Gott nicht zu (er)kennen, sind dazu bestimmt, in dem Irrglauben des Mittlers verstrickt zu sein, nach dem ihr fragt. Doch war er selbst gut, und die himmlischen Sphären wurden für ihn geöffnet, wie auch für andere gute Männer/Menschen. Ihr sollt also nicht schlecht über ihn sprechen, stattdessen die Torheit der Menschen bedauern (die ihn anbeten). Und durch ihn ist die Bedrohung der Menschen bevorstehend.“

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